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Diskursanalyse in der Wissenschaftsgeschichte. 2. Internationale Tagung zur Historischen Diskursanalyse

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Fecha
Jue, 05/27/2010 - Sáb, 05/29/2010
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2. Internationale Tagung zur Historischen Diskursanalyse: „Diskursanalyse in der Wissenschaftsgeschichte“

Zürich, 27. bis 29. Mai 2010

Als Michel Foucault 1969 seine Archäologie des Wissens veröffentlichte und damit das „Methodenbuch“ für seine Historische Diskursanalyse vorlegte, blickte er darin auf eine Reihe von Untersuchungen zurück, deren methodisches Konzept er in diesem Buch reflektieren und systematisieren wollte: Arbeiten zur Geschichte der Psychiatrie, zur Medizingeschichte und zu den Wissenschaften vom Menschen seit der Frühen Neuzeit. Die Foucaultsche Diskursanalyse entstand der Sache nach und in ihrer methodischen Reflexion immer auch im Horizont der Wissenschaftsgeschichte und der Erforschung der historischen Existenzbedingungen wissenschaftlicher Wahrheitsansprüche.

In der Wissenschaftsgeschichte ihrerseits wurde seither zwar auf Ähnlichkeiten und Konvergenzen zwischen dieser Foucaultschen Archäologie von Wissenssystemen und etwa dem Paradigmakonzept von Thomas S. Kuhn oder dem Denkstil-Konzept Ludwik Flecks hingewiesen, und tatsächlich gehören Foucault und diese Autoren mit zu den wichtigsten Stichwortgebern und Anregern der neueren Wissenschaftsgeschichte. Dennoch hat diese sich in den letzten beiden Jahrzehnten nicht so sehr gemäss den Foucaultschen konzeptionellen und methodologischen Ansätzen weiterentwickelt; als wichtigste andere Ansätze sind hier zweifellos der iconic turn und der practical turn zu nennen, sowie, personalisierter, Bruno Latours Actor-Network-Theory und Hansjörg Rheinbergers an Derridas Dekonstruktion angelehnte Vorschläge zur Untersuchung von Experimentalsystemen. Auf diese Konzepte Bezug nehmend, konnte eine Vielzahl von wissenschaftshistorischen Studien aufzeigen, wie Interaktionen der Forschenden mit Apparaturen, Instrumenten und Objekten für den Prozess der Wissensgenese entscheidend sind. Gegenüber solchen detaillierten Rekonstruktionen gelten diskursanalytische Ansätze in der Wissenschaftsgeschichte bisweilen als unpräzis und nebulös. Gleichzeitig vermögen letztere vielleicht Verkürzungen und Auslassungen jener Mikrogeschichten zu vermeiden, indem sie auf die Bedeutung von symbolischen Codierungen beharren, innerhalb derer WissenschaftlerInnen handeln, erfahren, erkennen und kommunizieren.
Dennoch scheint die Hochkonjunktur von Diskursen, Symbolen und Zeichen zumindest in der Wissenschaftsgeschichte vorbei zu sein. Diese Trendumkehr zeigt sich auch darin, dass neuerdings Begriffe wie „Evidenz“, „Präsenz“ oder „Dinge als solche“ in wissenschaftstheoretische Reflexionen Eingang finden. Der Diskurs-Begriff Foucaults ist damit zwar nicht verschwunden – die Rede von Diskursen ist vielmehr in den alltäglichen wissenschaftshistorischen Jargon eingegangen –, doch der Anspruch, explizit historische Diskursanalysen im Feld der Wissenschaftsgeschichte als fruchtbare Methode einzusetzen, wird heute, wie es scheint, nicht mehr so lautstark vorgebracht. Warum ist das so? Ist der Foucaultsche Ansatz so selbstverständlich geworden, dass er gleichsam als stummer,
dabei aber ständig verwendeter Schraubenschlüssel zur Basis-Ausrüstung von WissenschaftshistorikerInnen gehört, oder hat man sein intellektuelles Potential in den letzten Jahren ein wenig aus den Augen verloren? Oder haben die genannten neuen Ansätze – neben möglichen anderen – unterdessen Foucaults Diskurs-Konzept als überholt und alt aussehen lassen? Oder aber liessen sich, umgekehrt, Formen und Aktualisierungen von Historischer Diskursanalyse denken, die entweder wieder direkt an Foucault anschließen oder aber über diesen hinaus gehen – und die insgesamt vielleicht die genannten heutigen wissenschaftshistorischen Forschungsansätze kritisch kommentieren, ergänzen oder korrigieren könnten? Den Kombinationsmöglichkeiten und Formen des Neudenkens sind hier keine Grenzen gesetzt.

Die OrganisatorInnen dieser 2. Internationalen Tagung zur Historischen Diskursanalyse laden deshalb zur Einsendung von Vorschlägen (1 A4-Seite) für Referate über ihre Forschungen im (weiten) Feld der Wissenschaftsgeschichte ein, die sich in unterschiedlicher Form auf Foucaults – oder auch nicht mehr Foucaults – Diskursanalyse stützen. Die ReferentInnen sollen diesen methodischen Ansatz konzeptionell und auf dem Hintergrund ihres empirischen Materials reflektieren und damit explizit zur Diskussion der Frage beitragen, wie heute mit einer Historischen Diskursanalyse im Bereich der Wissenschaftsgeschichte gearbeitet werden kann.

Deadline für die Einsendung: 31. Oktober 2009
Kontakt:

Philipp Sarasin

Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Rämistrasse 64, CH-8001 Zürich

psarasin@hist.uzh.ch