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Biographie und Diskurs

Gespeichert von Tina Spies am Fr., 31.08.2018 - 14:49
Kategorie
Datum
Do., 01/17/2013 - Fr., 01/18/2013
Anmeldeschluss

Die Biographieforschung geht davon aus, dass eine Biographie Muster der individuellen Strukturierung und Verarbeitung von Erlebnissen in sozialen Kontexten hervorbringt und dabei immer auch auf gesellschaftliche Regeln und soziale Bedingungen ihrer Produktion verweist. Dementsprechend wird in der Biographieforschung u.a. nach der je historisch und geopolitisch spezifischen Gesellschaftsgeschichte gefragt, in die eine Biographie eingebettet bzw. durch die eine Biographie konstituiert ist. Ebenso wird untersucht, wie z.B. Geschlecht, Ethnizität oder soziale Klasse in gesellschaftliche Strukturen eingelassen sind und in biographischen Strukturen (re-)produziert, zurückgewiesen, verändert oder auch variiert werden.

Der diskursanalytische Theorieansatz von Michel Foucault hat mit der Behauptung, dass Biographien durch Diskurse produziert werden (und Diskurse damit vorgängig sind), für die Biographieforschung zunächst einmal eine Herausforderung dargestellt und zu einer methodologischen Auseinandersetzung über den Zusammenhang von (gesellschaftlichen) Diskursen und Biographien geführt. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass Biographien und Diskurse auf das engste miteinander verwoben sind, und Diskurse sowohl die erzählte als auch die erlebte Lebensgeschichte sowie die Art und Weise der Erzählung einer Biographie beeinflussen.
Hiermit einhergehend ist ein verstärktes Interesse an den Methoden der Diskursforschung zu beobachten, die sich wiederum mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, in ihren theoretischen Überlegungen und insbesondere in ihren empirischen Arbeiten die subjektkonstituierende Wirkung von Diskursen zu vernachlässigen. Nun sind in den Cultural Studies sowie innerhalb der Gouvernementalitätsforschung in den letzten Jahren Arbeiten entstanden, die sich mit dem Verhältnis von Diskurs, Macht und Subjekt auseinandersetzen. Gleiches gilt für die Biographieforschung, weshalb wir bereits auf methodologische Annäherungen und fruchtbare Auseinandersetzungen zwischen Biographie- und Diskursforschung blicken können; die Herausforderungen zur Verbindung der beiden Zugänge in der konkreten empirischen Umsetzung bestehen jedoch weiterhin.

Hier setzt nun die geplante Jahrestagung der Sektion Biographieforschung an; sie möchte diesen Entwicklungen sowohl in der Biographie- als auch in der Diskursforschung Rechnung tragen und lädt ein, das Verhältnis von Biographie und Diskurs sowohl in theoretischer als auch in methodologischer Hinsicht in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus sollen empirische Arbeiten vorgestellt und diskutiert werden, die eine Verknüpfung von Biographie- und Diskursforschung vornehmen und die Verwobenheit von Biographie und Diskurs am konkreten Material untersuchen. Sowohl in Plenarvorträgen und Podiumsdiskussionen als auch in Material orientierten Workshops sollen das Verhältnis zwischen Biographie und Diskurs ausgelotet und folgende sowohl methodische als auch methodologische Fragen diskutiert werden:
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BIOGRAPHIE – SUBJEKT – DISKURS
Wie ist das Verhältnis von Biographie, Subjekt und Diskurs zu denken? Welche Diskurs- und Subjekttheorien sind hier methodologisch weiterführend? Was bedeutet
dies sowohl für die konkrete Biographie- als auch für die Diskursforschung?
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METHODISCHE MODIFIKATIONEN
Welche methodischen Modifikationen sind nötig, um die Verwobenheit von Biographie und Diskurs empirisch untersuchen zu können? Inwiefern kann hier die Biographie- von der Diskursforschung profitieren? Welche Ansätze der Diskursforschung sind hier für Anschlüsse an die Biographieforschung geeignet? Und umgekehrt: Inwiefern bedeuten Ansätze der Biographieforschung eine Bereicherung für die Diskursforschung?
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SUBVERSION UND AGENCY
Wie konzipieren die einzelnen methodischen Ansätze von Biographie- und Diskursforschung die „Handlungsmacht des Subjekts“ (agency)? Sind alle Subjektpositionen, die in einem narrativen Interview eingenommen werden können, durch Diskurse konstituiert? Welche Möglichkeit von Handlungsmacht im Sinne der Subversion hegemonialer Diskurse eröffnen sich in der biographischen Narration? Inwiefern lassen sich agency und Subversion in biographischen Erzählungen rekonstruieren?

Beiträge zu genannten Fragestellungen (ca. 1 Seite) bitten wir, bis zum 15.10.2012 zu senden an:
Tina Spies, Dr. (tina.spies@uni-potsdam.de)
Elisabeth Tuider, Prof. Dr. (tuider@uni-kassel.de)

Organizer
Kontakperson
Tina Spies und Elisabeth Tuider
Netzwerk
Sektion Biographieforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)