Saarbrücken
Deutschland
Populäre Perspektiven auf Sprache(n). Sprachideologien im öffentlichen Diskurs.
Panel der Sektion „Sprache und kommunikative Praktiken“ bei der Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft e.V.
Sprache ist immer wieder – mal expliziter, mal impliziter – Gegenstand medialer
Aufmerksamkeit und öffentlicher Diskurse: In den letzten Jahren waren es insbesondere
geschlechtergerechte Sprache und die sprachliche Repräsentation von Geschlecht jenseits
der Zweigeschlechtlichkeit, die intensiv – und teils äußerst populistisch – im öffentlichen
Raum diskutiert wurden. In diesen Debatten wurden gänzlich unterschiedliche
Konzeptualisierungen und Ideologien von Sprache sichtbar: Einerseits wird sie aus
feministisch-aktivistischer Perspektive als ein zentrales Instrument für politische
Bemühungen um Gleichstellung und größere gesellschaftliche Teilhabe nicht-männlicher
Personen angesehen, andererseits basieren konservative Akteure ihren Aktivismus gegen
sprachliche Formen der Sichtbarmachung von Frauen und nichtbinären Personen auf
Vorstellungen von Sprache als einer fragilen, inhärent wert- und bedeutungsvollen
Institution, die vor Eingriffen und Wandel beschützt werden müsse (vgl. Lind/Nübling 2022).
Sprache dient dabei als Stellvertreter für die Vorstellung einer monolithischen christlichwestlichen
Kultur, die von rechtskonservativen Kräften vor dem „Verfall“ bewahrt werden soll
(vgl. Lobin 2021).
Der Zusammenhang von Sprache und Geschlecht ist jedoch bei weitem nicht der einzige
Kontext, in dem Sprache populär verhandelt wird. Auch in Migrationsdiskursen werden unter
dem Stichwort „doppelte Halbsprachigkeit“ immer wieder gängige Vorstellungen von Monovs.
Bi-/Multilingualismus thematisiert, wobei letzteres häufig – entgegen wissenschaftlicher
Evidenz – als problematisch und hinderlich für die (Sprach-)Entwicklung von Kindern
konstruiert wird. Auch die „Vermischung“ von Sprachen durch "fremd"sprachige Einflüsse wie
im Kiezdeutschen (z.B. Wiese 2012) oder durch Anglizismen in Jugendsprache und Wirtschaft
wird häufig als Bedrohung für „das Deutsche“ verstanden.
Im Kontext der menschlichen Interaktion mit Maschinen, z.B. bei Sprachassistenzsystemen
wie Amazons Alexa oder dem Google Assistant, wird deren zunehmende Befähigung zu
lautsprachlicher Kommunikation zu einem zentralen Element ihrer Vermenschlichung,
basierend auf Konzeptionen von Sprache als direkter Repräsentation von Kognition und Geist.
In diesem Panel wollen wir uns mit Konzeptualisierungen und Ideologien von Sprache und
Sprachen in populären Diskursen beschäftigen. Hierzu laden wir Beiträge ein, die sich kritisch
mit Fragen danach auseinandersetzen, welche Vorstellungen von Sprache(n) im öffentlichen
Diskurs einerseits explizit verhandelt werden und welche Ideen und Konzepte von Sprache(n)
andererseits implizit in der Diskussion anderer Themen mitlaufen. Wir freuen uns über
Beitragsvorschläge in Form kurzer Abstracts (max. 300 Wörter) bis zum 15. Januar 2023 an
vallentin@europa-uni.de und miriamlind@uni-mainz.de.
Referenzen:
Lind, Miriam/Nübling, Damaris (2022): Sprache und Bewusstsein. In: Aus Politik und
Zeitgeschichte 72 (5-7): Geschlechtergerechte Sprache, 36-42.
Lobin, Henning (2021): Sprachkampf: Wie die neue Rechte die deutsche Sprache
instrumentalisiert. Berlin: Duden.
Wiese, Heike (2012): Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht. München: C.H. Beck.