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Call for Papers: arbeits|um|feld. Medien, Organisationsformen und symbolische Praktiken zeitgenössischer Büroarbeit

Medienwissenschaftliche und interdisziplinäre Tagung am Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaft, Potsdam, 17.-19. März 2022

Konzept und Organisation: Christoph A. Büttner und Felix Raczkowski

Einreichung bis 2. Juli 2021

 

Rückt das Büro als Ort der täglichen Routine für einen Teil der Arbeitenden derzeit auch stärker in den Hintergrund, so ist es zugleich – gerade in seiner Abwesenheit – besonders in der öffentlichen Debatte präsent (in der neben einem ‚Recht auf Home-Office‘ bisweilen auch ein ‚Recht auf Büro‘ gefordert wird). Die Pandemie führt eine Transformation des Büros vor Augen, die sich als Zuspitzung einer kulturellen Bedeutungsverschiebung zeigt, in deren Zentrum das Büro schon vor der jüngsten Krise stand. Als Schnittstelle zwischen Individuum und Organisation sowie als Ort, an dem sich verschiedene Wissensbestände kreuzen, verändert sich mit dem Büro der Rahmen, in dem Menschen als arbeitsweltliche Subjekte und als Erbringer*innen von Arbeitsleistungen ‚gefasst‘ werden. Die Tagung fragt nach den Medien, den Wissensbeständen und den Organisationsformen dieser Veränderungsprozesse: Ausgehend von einer ostentativen Flexibilität in Start-Up-Kulturen sowie vor dem Hintergrund sich ausdifferenzierender Beratungsinstrumentarien und gesellschaftlicher Entgrenzungsprozesse erinnern heutige Büros bisweilen kaum noch an ihre Verwurzelung in den Bürokratien des modernen Massenstaats und seiner Produktionsstätten. Ausgestattet mit Spielplätzen, Gärten und eigenen Kneipen werden sie, angestoßen durch die creative industries und die IT-Branche, in der Gegenwart als Orte der Entspannung und des sozialen Zusammenhalts positioniert. Die hierbei zum Einsatz kommenden Medien, Objekte und Einrichtungsformen konstituieren das Büro dabei als environment, das spezifische Selbstwahrnehmungen, Identitätsentwürfe und Arbeitspraktiken ermöglicht. Es gerät somit sowohl in seinen heterogenen Medialitäten, als auch in seiner grundlegend sozialstiftenden Funktion in den Blick.

 

Die Tagung ist an genau diesen medialen Bedingungen zeitgenössischer Büro-Arbeitsumgebungen sowie am Zusammenhang zwischen diesen Arbeitsumgebungen und den sie informierenden (je ebenfalls medial verfassten) Wissensbeständen interessiert. Sie hat zum Ziel, im interdisziplinären Dialog von Medienwissenschaft, Organisationsforschung und Sozialphilosophie Forschungszugänge und wissenschaftliche Beschreibungsweisen für Büros als mediale environments zu entwerfen, damit zu einer konzeptionellen Präzisierung beizutragen und verschiedene solcher Ansätze in ersten Fallstudien zu erproben. Die Phänomenbereiche, mit denen sich die Tagung dabei auseinandersetzt, sind äußerst vielfältig. Sie reichen von mit Freizeit assoziierten Objekten und Spielen über Medien der Selbstrepräsentation und Formen populärer Kultur im Büro bis hin zu ‚klassischeren‘, unternehmensnahen Medien. Medien und Medialitäten des Büros lassen sich dabei stets auf ihre Wechselwirkungen mit den durch sie katalysierten sozialen Praktiken befragen.

 

Ausgehend von diesen Beobachtungen und Grundannahmen beschäftigt sich die Tagung schwerpunktmäßig mit drei Problemzusammenhängen: Erstens lassen sich die beobachteten Phänomene als Materialisierung impliziter und expliziter Unternehmens- und Organisationskulturen verstehen. Sie dienen u.a. dazu, die Organisation symbolisch und affektiv adressierbar zu machen und schaffen so auf der Ebene des Büros Schnittstellen zwischen Unternehmen und arbeitenden Subjekten – die zugleich über jene sozio-medialen Praktiken konstituiert werden. Zweitens eröffnet sich damit eine Perspektive auf den Zusammenhang eines spezifischen Managementwissens mit der Etablierung sozialer und medialer Praktiken. In der Art und Weise, wie Büro-Arbeitsumgebungen als mediale environments gestaltet, wie darin Projekte verwaltet, Daten genutzt und Mitarbeiter*innen adressiert werden, manifestiert sich ein (implizites) Wissen, das über die klassischen Bestände des Managementwissens insofern hinausgeht, als dass es auf zunehmend heterogene Wissensfelder und semantische Horizonte wie Game-Design, Psychologie, Spiritualität oder Populärkultur zurückgreift. Es ergibt sich allerdings drittens bei der Betrachtung der Büro-Arbeitsumgebungen ein konzeptuell-begriffliches Problemfeld, bewegt sich doch die Herangehensweise, die Materialisierung von Unternehmenskulturen, die Popularisierung und Zusammenführung heterogener Wissensbestände sowie die Gestaltung von Arbeitsumgebungen als sozio-mediale Prozesse aufzufassen, an einer Schnittstelle von Medien- und Organisationsforschung.

 

Angelehnt an die skizzierten Problemfelder ergeben sich eine ganze Reihe von Fragen, die im Rahmen der Tagung in Form von Fallstudien oder theoretischen Beiträgen adressiert werden können:

  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen spezifischen Sinnhorizonten (etwa ‚resiliente Organisation‘, ‚unternehmerische Verantwortung‘, ‚agiles Unternehmen‘ o.ä.) und den sie hervorbringenden medialen Praktiken? Welches sind wesentliche Wissensformationen derer sich die Unternehmen bedienen und entlang welcher Verfahren erfolgt dieser Rückgriff?

  • Wie verhalten sich die jeweils zirkulierenden, organisationsinternen Sinnhorizonte und die sie konstituierenden Medien zu einem Management arbeitsweltlicher Affekte?

  • Wie können die angedeuteten Forschungsansätze sozio-medialer Umgebungen zu einem Verständnis sich transformierender Bürowelten beitragen, insbesondere in Hinblick auf eine verstärkte Orientierung am Home-Office? Welche Versuche gibt es etwa, das Home-Office regierbar zu machen und inwiefern ist es verbunden mit oder abhängig von traditionelleren Büroformen?

  • Welcher theoretischen und methodischen Verfahren bedarf es, um die skizzierten Medialisierungen von Arbeitsumgebungen adäquat zu erfassen und zu kritisieren? In welcher Weise können hier die Ansätze verschiedener Disziplinen (Medienwissenschaft, Sozialphilosophie, Organisationsforschung, Designwissenschaft usw.) fruchtbar gemacht werden?

  • Welche Strategien der ‚Rückübersetzung‘ popularisierter Wissensformen und im Unternehmen zirkulierender Semantiken in spezifisch ökonomisch verwertbares Wissen gibt es? Lässt sich ein spezifischer Einsatz digitaler Medien beobachten bzw. inwiefern geht mit der häufig beschworenen Digitalisierung eine qualitative Veränderung in der Gestaltung von Arbeitsumgebungen einher?

  • Welche verschiedenen Sozialitäten werden im Büro produziert (z.B. über räumliche und zeitliche Hierarchisierungen), wie werden diese normiert und welche Rollen spielen die Medien des Büros hierbei?

 

Die Tagung findet mit freundlicher Unterstützung des Brandenburgischen Zentrums für Medienwissenschaft vom 17. bis 19. März 2022 in Potsdam statt (voraussichtlich in Präsenz). Wir erbitten die Einreichung von Beitragsvorschlägen mit einer Länge von etwa 3000 Zeichen und einer kurzen biografischen Notiz bis zum 2. Juli 2021 an c.buettner [at] filmuniversitaet.de und felix.raczkowski [at] uni-bayreuth.de. Kosten für Anreise und Übernachtung können für Vortragende übernommen werden.