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Online-Diskurse. Multimodalität – Hypertextualität – Transmedialität

Kategorie
Datum
Fr., 01/21/2011 - Sa., 01/22/2011
Anmeldeschluss

Seit rund zehn Jahren erleben Diskursanalyse und ‐theorie ein verstärktes Interesse in den sozial‐ und geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Theoretisch bearbeitet wurde das Feld insbesondere aus diskurslinguistischer, literatur‐ und geschichtswissenschaftlicher, (wissens)soziologischer sowie kultur‐ und kommunikationswissenschaftlicher Sicht. Dieser Vielfalt an Zugängen entspricht die Unterschiedlichkeit der verwendeten Diskursbegriffe. Im Blick auf die überwiegende Zahl der empirischen Studien kann aber die Gemeinsamkeit festgestellt werden, dass sie mit der Analyse von Sprachtexten in Printmedienkorpora befasst sind. Unberücksichtigt bleiben dadurch einerseits die Intermedialität und Multimodalität von öffentlichen Diskursen und andererseits online publizierte, hypertextuelle Materialien.

Erstens behindert dieser Fokus auf sprachlich organisierte, öffentliche Kommunikation eine angemessene Behandlung der Ebene bildlicher Darstellungen, welche jedoch seit jeher im Mediendiskurs wegen ihrer veranschaulichenden, informationsverdichtenden und emotionalisierenden Funktion eine tragende Rolle gespielt haben. Durch die Digitalisierung der Medien und die damit verbundene freie Gestaltbarkeit visueller Zeichen ist die kommunikative Relevanz von Bildern und grafischen Ausdrucksmöglichkeiten wie Video, Animationen, Diagramme, Layout, Typografie weiter vorangeschritten. Diskursive Praxis ist demnach als ein multimodales Zeichenhandeln zu verstehen, das generell durch mehrfachkodierte Kommunikate konstituiert ist.

Zweitens ist die diskursive Praxis nicht nur von einer multimodalen, sondern auch zunehmend von einer onlinemedialen Kommunikation geprägt. Das bedeutet, sie beruht auf der fortschreitenden Medienkomplexität, also dem kommunikativen Zusammenwirken verschiedener Medien im Verbund und technischer, ökonomischer, handlungspraktischer und inhaltlicher Konvergenzen. Mit der zunehmenden Verbreitung und Nutzung des Internets ist zu fragen, ob die netzbasierte Kommunikation nur ein Sonderfall öffentlicher Kommunikation, oder bereits deren Normalfall darstellt. So werden Angebote im Internet wie Websites, Diskussionsforen, Newsgroups und insbesondere die neue Generation von Internet‐Applikationen des Social Web zunehmend in öffentliche diskursive Prozesse eingebunden und ergänzen die traditionellen Massenmedien in Bezug auf Funktionalitäten und soziale Praktiken. Somit wird auch die Trennung zwischen online und offline stattfindenden Diskursen fraglich, ist doch die internetbasierte Kommunikation über öffentliche Themen mit den massenmedial geführten Diskursen vielfältig verschränkt.

Auf Basis dieser Feststellungen sind Beiträge zu folgenden Schwerpunkten erwünscht:

1. Theorien
Die Online‐Kommunikation verknüpft durch ihre Interaktions‐, Produktions‐ und Rezeptionsbedingungen individuelles Handeln der Mikro‐ mit kollektivem Handeln der Makroebene. Mögliche Fragen können demnach sein: Wie ist dieses individuelle und kollektive Zeichen‐Handeln diskurstheoretisch zu fassen? Was sind diskursive Praktiken? Auf welche Weise sind Diskurse als Handlungspraktik
und als Handlungsresultat verstehbar? Wie kann der intermedialen Konstitution von Diskursen theoretisch Rechnung getragen werden? Auf welche Weise ist online‐mediale Kommunikation öffentliche Kommunikation und in welchem Verhältnis steht diese zur massenmedial geprägten Öffentlichkeit?

2. Methoden
Online‐Diskursforschung ist mit methodischen Problemen der Datenerhebung und ‐analyse konfrontiert. Dabei ist zu fragen, wie mit der interaktiven Entstehung, instabilen Verfügbarkeit, der Dezentralität der Publikation und der begrenzten Recherchierbarkeit relevanter Daten methodisch umgegangen werden kann. Durch den Einsatz von Multimodalität in Form von Sprache‐Bild‐Texten, Bildergalerien, Videos, Animationen sowie grafischer Farb‐ und Formgebung und interpersonal konstituierter Interaktivität ist es außerdem notwendig, ein Begriffs‐ und Analyseinstrumentarium anzuwenden, das die zeichenspezifischen Bedeutungsangebote erschließen lässt: Wie lassen sich dafür beispielsweise bildwissenschaftliche und diskursanalytische Verfahren sinnvoll verbinden? Mit welchen mikroanalytischen Verfahren lässt sich die Dynamik interpersonaler Kommunikation diskursanalytisch erfassen? Mit welchen textanalytischen Verfahren kann die Hypertextualität online‐diskursiver Praxis untersucht werden? Und schließlich stellen sich Fragen nach systematischen Methodenkombinationen bzw. Triangulationstechniken, welche die diskursanalytische Untersuchung multimodaler, hypertextueller und transmedial verknüpfter Online‐Diskurse zu integrieren erlauben. Zu diesem Zweck ist zu fragen, welchen Beitrag hierzu kommunikationswissenschaftliche, soziologische und linguistische Methoden leisten können.

3. Forschungspraxis
Die Tagung will über die theoretischen und methodologisch‐methodischen Fragestellungen hinaus auch eine Plattform bieten, abgeschlossene oder derzeit durchgeführte empirische Forschungsprojekte zur Online‐Kommunikation vorzustellen. Im Rahmen eines in die Tagung integrierten Workshops können konkrete Beispiele der Untersuchung empirischen Materials aus der laufenden Forschungspraxis zur Diskussion gestellt werden. Dabei können neben erfolgreichen Lösungen auch problematische Bereiche oder noch ungelöste Fragen der materialen Forschungsarbeit diskutiert werden.

Organizer
Institution
Technische Universität Chemnitz
Professur Medienkommunikation
DFG-gefördertes Projekt: "Methoden‐instrumentarium der Datenerhebung und ‐analyse zur Bestimmung von Online‐Diskursen als gesellschaftliche Praktiken"
Kontakperson
Prof. Dr. Claudia Fraas