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Markierungen und Grenzziehungen in der Wissenschaft

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Date
Jeu, 10/05/2017 - ven, 10/06/2017
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Symbolische Markierungen und Grenzziehungen sind allgegenwärtiger Bestandteil der Wissenschaft. Markierungen kennzeichnen zum Beispiel Forschungskontexte als „exzellent“, schreiben Publikationen „Relevanz“ zu oder beurteilen das wissenschaftliche Personal als „kreativ“ oder „produktiv“. Mitunter verfestigen sich solche Markierungen zu symbolischen Grenzen, die soziale Ordnungen in der Wissenschaft vertikal oder horizontal strukturieren. Horizontal grenzen sich wissenschaftliche Institutionen anhand ihrer Forschungsprofile voneinander ab, unterscheiden sich Disziplinen nach Forschungsgegenständen und sortieren sich Forscherinnen und Forscher wiederum innerhalb und quer zu Disziplinen in Schulen und Communities ein. Vertikal differenzieren sich Universitäten und Institute über Markierungen wie „Elite“, während für die symbolische Hierarchisierung des wissenschaftlichen Personals akademische Titel, Prestigepositionen in Fachgesellschaften und Universitäten, wichtige Mentoren, Zitationen, Herausgeberschaften oder Nachrufe sorgen.

Die Untersuchung solcher symbolischen Markierungen und Grenzen in der Wissenschaft ist insbesondere deswegen von besonderer Bedeutung, weil mit ihnen Erfolge und materielle Ungleichheiten im wissenschaftlichen Feld erzeugt und legitimiert werden können. So sind für die Vergabe akademischer Statuspositionen an Personen Zuschreibungen wie Forschungsleistung oder individuelle Reputation, aber auch nicht-akademische Markierungen wie ihr Geschlecht oder Alter relevant. Materielle Zuwendungen im Rahmen von Stipendien, Fellowships und Stellen werden auf Grundlage der Zuschreibung von Sachkenntnissen, Intellekt oder Talent erteilt, Drittmittel werden mit Verweis auf „Originalität“ oder „Impact“ zugewiesen, gesellschaftliche Eliten rekrutieren sich vor allem im angloamerikanischen Kontext über prestigeträchtige Spitzenuniversitäten.

Ziel der Tagung ist es, zwei Perspektiven für die Wissenschaftsforschung in Dialog miteinander zu bringen: Auf der einen Seite soll auf die Bedeutung symbolischer Markierungen und Grenzen in der Wissenschaft hingewiesen werden. Damit meinen wir Zuschreibungen und Setzungen, die jenseits objektiver Sozialstrukturen in Form von Zeichen, Symbolen oder Sprache erzeugt werden. Sie können objektive Grundlagen haben, auf geteilten Annahmen und Überzeugungen fußen, konfliktreich durchgesetzt oder lediglich strategisch eingesetzt werden. Auf der anderen Seite soll gefragt werden, inwiefern Markierungen und Grenzen mit materiellen Ungleichheiten korrespondieren, in diese übergehen und zu ihrer Reproduktion beitragen. Hier geht es zum Beispiel um Fälle wie Impactfaktoren, Drittmittelquoten oder Rankings, bei denen symbolische Zuschreibungen und Setzungen an Karrierechancen oder Ressourcenverteilungen im wissenschaftlichen Feld geknüpft sind.

Die Sektionstagung soll über die bloße Katalogisierung von Markierungen und Grenzen hinausgehen. So wollen wir gleichermaßen die empirische Vielfalt dieser Phänomene feststellen, als auch diskutieren, wie symbolische Zuschreibungen und Setzungen im wissenschaftlichen Feld erstens erzeugt, etabliert und legitimiert werden, und wie sie zweitens mit der Produktion und Reproduktion materieller Ungleichheiten verschränkt sind. Für diese Fragen steht ein ganzes Arsenal soziologischer Konzepte bereit, das zur Erklärung herangezogen werden kann. Beispielsweise können Markierungen und Grenzziehungen durch Konsekrations- und Sichtbarkeitseffekte sowie Praktiken der Kategorisierung und Klassifikation etabliert werden, durch black boxing oder Ritualisierungen stabilisiert und plausibilisiert werden und durch kumulative Effekte oder Praktiken des Gatekeeping mit materiellen Ungleichheiten gekoppelt sein.

Organizer
Julian Hamann, Forum Internationale Wissenschaft, Universität Bonn
Alexander Lenger, Universität Freiburg
Personne à contacter
Julian Hamann